Modul 2: Bildung & Studentenleben
Kritik am Bildungssystem
Kritik am deutschen Schulsystem[1]
Kritik wegen der fehlenden Berufschancen
Gegner kritisieren, das gegliederte Schulsystem zementiere soziale Ungleichheit. Die mehr oder weniger starre Einteilung von Schülern in mehrere Schularten präge ihre Bildungs- und Berufschancen entscheidend vor, und zwar zu einem viel zu frühen Zeitpunkt (je nach Bundesland nach der vierten bzw. sechsten Klasse). Die Kategorisierung sei dabei weniger von der persönlichen Begabung des Schülers abhängig als von seinem sozioökonomischen Hintergrund, insbesondere vom Elternhaus. Diese Kritik wird von zahlreichen Studien bestätigt. So haben laut PISA 2006 Jugendliche aus Familien der oberen sozialen Schichten bei gleichem Wissensstand eine 2,7-mal höhere Chance, ein Gymnasium zu besuchen, als Kinder eines Facharbeiters. […]
Kritik wegen der mangelnden Förderung der Intelligenz
Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung interessierte sich für die Frage, ob die besuchte Schulform einen Einfluss auf die Entwicklung der Intelligenz hat. Es konnten starke Effekte nachgewiesen werden: Bei Kontrolle der Ausgangsleistung im Intelligenztest in Jahrgangsstufe sieben konnten die Schüler, die das Gymnasium besuchten, ihre Intelligenzleistung bis zur neunten Jahrgangsstufe um 11,39 Punkte mehr steigern als die Schüler, welche die Realschule besuchten. Kritiker sehen dies als Beleg dafür, dass die Schüler auf den niedrigeren Schulformen schlechtere Entwicklungschancen haben.
Kritik wegen der mangelnden Förderung der Fertigkeiten
Es wird oft beklagt, dass das dreigliedrige Schulsystem die Leute nicht genügend auf anspruchsvolle Berufe, wie etwa Berufe im handwerklichen Bereich, vorbereite. Es wird als besonders schlimm angesehen, dass die Hauptschulen nicht mehr in der Lage seien, mit den steigenden Qualifikationsanforderungen im Handwerk mitzuhalten. 39 Prozent der Hauptschüler erreichen nur die Basiskompetenzen; sie können also nur so viel wie ein Grundschüler. So müssten im Handwerk viele Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben, weil die jungen Menschen nicht mehr die erforderlichen Qualifikationen mitbringen würden. Besonders würde es an mathematischen und technischen Fähigkeiten mangeln. Dadurch sei die wirtschaftliche Prosperität von ganzen Branchen in Gefahr. Gefordert wird daher eine neunjährige Basisschule für alle. Bei PISA[2] konnte gezeigt werden, dass der Erwerb von Fertigkeiten stark von zwei Dingen abhängt, nämlich von der sozialen Herkunft und von der besuchten Schulform. Es zeigte sich, dass auf der Hauptschule die Kinder am wenigsten Fähigkeiten erlernen. Außerdem konnte bewiesen werden, dass Mittelschichtskinder auf der Hauptschule (wie auch auf allen anderen Schulformen) weit mehr lernten als Unterschichtskinder, wobei der Effekt am Gymnasium am wenigsten stark ausgeprägt ist. Doch zeigte sich die Gesamtschule nicht so erfolgreich: Der Erwerb von Fähigkeiten hängt auf der Gesamtschule ganz besonders stark von der sozialen Herkunft ab und sie liegt im Vergleich sowohl zur Realschule als auch zum Gymnasium zurück. […]
Von Anhängern des Gegliederten Schulsystems wird gegen die Kritik vorgebracht, dass verkannt werde, dass es keinerlei empirischen Beweis dafür gebe, dass das längere gemeinsame Lernen oder gar die Einheitsschule für alle höhere Lernerfolge erzielten. Es sei eine Tatsache, dass homogene Lerngruppen die höchsten Erfolge erzielen. Es sei „unlogisch“, dass in Zukunft schlechte und lernunwillige Schüler, die auf die Hauptschule gehörten, durch gemeinsamen Unterricht mit anderen intelligenter, lern- und leistungsbereiter werden sollen. In der Diskussion um die Einheitsschule kämen zudem die Begabten, die „Normalen“ die Lernwilligen zu kurz. Das traditionelle Gymnasium sei eine der besten und effizientesten Schulformen der Welt. Die Förderung der Institution Hauptschulen sorge für Durchlässigkeit im Bildungssystem, das sei der Weg der Zukunft.
FRAGEN ZUM TEXT
- Welche wichtigen Kritikpunkte gibt es am deutschen Bildungssystem?
- Welche Vorschläge gibt es, um das deutsche Bildungssystem zu verbessern?
- Was sagen Anhänger des deutschen Bildungssystems über die Stärken des Systems?
- Welchen Kritikpunkt finden Sie persönlich am Wichtigsten?
PARTNERARBEIT: Das verrottete Klassenzimmer
- Lesen Sie gemeinsam mit einem Partner/einer Partnerin einen der zehn Kritikpunkte am deutschen Bildungssystem.
- Erklären Sie im Kurs den Kritikpunkt!
- Diskutieren Sie gemeinsam:
- Was ist Ihrer Meinung nach der wichtigste Kritikpunkt und warum?
- Was sollte man Ihre Meinung nach am deutschen Bildungssystem nicht verändern?
- Was könnte man vielleicht am deutschen System verbessern?
- Was müsste man tun, damit das deutsche Bildungssystem gerechter ist?
Herausforderungen des deutschen Bildungssystems
- Schauen Sie sich die Graphik unten an. Was sehen Erwachsene in Deutschland als größte Probleme im deutschen Schulsystem?
- Was sehen Sie persönlich als größte Probleme im deutschen Schulsystem?
- Was sehen Sie als die Vor- und Nachteile des dreigeteilten Bildungssystems in Deutschland? Sammeln Sie Argumente mit Ihrer Gruppe!
- Vergleichen Sie das deutsche Schulsystem und das Schulsystem in Ihrem Heimatland. Was sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede? Nutzen Sie das Vokabular zu Vergleichen.
VOKABULAR VERGLEICHE
Im Vergleich zu – in comparison to
verglichen mit – compared to
im Gegensatz zu – in contrast to
im Unterschied zu – unlike
ähnlich zu – similar to
Das kann man nicht vergleichen. – That can’t be compared.
to be missing
opponent(s)
cement
allocation
shape
talent
to be dependent on
confirm
worker
lacking
prove
increase
evidence
lower
manual labor
apprenticeship positions
pronounced/distinct
fans
fair